Weltfrauentag am 8. März

Haupt-Reiter

Clara Zetkin (links, Kämpferin für Frauenbewegung und Wahlrecht) und Rosa Luxemburg

Über das Buch:

 

Weltfrauentag am 8. März

‚Der Internationale Frauentag ist die wuchtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht gewesen, welche die Geschichte der Bewegung für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts bis heute verzeichnen kann‘ (Clara Zetkin in der Zeitschrift ‚Gleichheit‘, 1911).

Eine kräftige Rose stand auf meinem Schreibtisch als ich am 8. März in mein Büro kam. Es war mein erstes Jahr in Potsdam nach langer West-Berliner Zeit. Bei meiner Zimmernachbarin stand auch eine Rose. Die aus dem Brandenburgischen stammende Kollegin sagte ‚Weltfrauentag‘ und warf mir Ignorantin einen erstaunten Blick zu. Ein Zimmer weiter lag die Rose achtlos herum. ‚Irgend so ein Ost-Relikt‘, sagte die in Westdeutschland sozialisierte Kollegin.

Grund genug, mich mit der Bedeutung des Weltfrauentages auseinanderzusetzen. Derartige Gedenktage werden allerdings oft von Unternehmen genutzt, um sich und ihre Produkte zu präsentieren. Auch zeigt die Liste der zahllosen Thementage ein deutliches Ungleichgewicht: Der 8. März ist auch der Tag der Popcornliebhaber, der Korrekturlesenden und der Weltnierentag. Herausragt demgegenüber die Entscheidung der Vereinten Nationen (UN), den Tag nicht ‚nur‘ den Rechten der Frau, sondern gleich dem gesamten Weltfrieden zu widmen.

Die UN und der 8. März

Seit 1975 gibt es die Tradition des Internationalen Frauentags mit einem jährlichen Schwerpunkt-Thema, etwa höhere Bildung für Mädchen, mehr Beteiligung von Frauen in der Politik, Strafe für Gewalt gegen Frauen. Der Frauentag ist gesetzlicher Feiertag in zahlreichen Ländern, u.a. Angola, Kasachstan, Kambodscha, Madagaskar, Nordkorea, Russland, aber in keinem der sog. Industriestaaten. In Berlin als erstem deutschen Bundesland hat es der Weltfrauentag allerdings seit 2019 geschafft, vom Aktionstag zum gesetzlichen Feiertag ‚8. März‘ zu werden.

‚Heraus mit dem Frauenwahlrecht!‘

Bühne frei und Vorhang auf für Clara Zetkin (*1857; † 1933) und Käte Duncker (*1871; † 1953), Sozialdemokratinnen und spätere Kommunistinnen, die sich vehement für die Gleichberechtigung eingesetzt haben. Im März 1911 feierten Tausende Frauen erstmals den Internationalen Frauentag und forderten die Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht, das im Jahr 1919 eingeführt wurde. Später rückten andere Forderungen in den Mittelpunkt: Arbeitsschutz, Anspruch auf Bildung, Schutz für Mütter und Kinder, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, legaler Schwangerschaftsabbruch.

In Zeiten des Nationalsozialismus‘ wurde anstelle des Internationalen Frauentags der Muttertag als offizieller Feiertag eingeführt. Als Untergrundbewegung bestand der Frauentag jedoch weiter.

‚Männer und Frauen sind gleichberechtigt‘ (Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz)

Auch nach 1945 war der Weg zur verfassungsrechtlich garantierten Gleichberechtigung noch weit. Die wenigen Frauen im Parlamentarischen Rat, u.a. Dr. Elisabeth Selbert, Juristin, Politikerin, ‚Mutter des Grundgesetzes‘, setzte durch, dass die fünf entscheidenden Wörter in die Verfassung gelangten. Das Gleichberechtigungsgesetz von 1958 hob das Letztentscheidungsrecht des Ehemannes in allen Eheangelegenheiten auf.

War die DDR weiter?

Formalrechtlich ja. Der Internationale Frauentag wurde 1948 wieder eingeführt und bereits seit 1946 galt für Frauen gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Der Gleichberechtigungsgrundsatz stand seit 1949 in der Verfassung, ein Familiengesetzbuch folgte 1965, das die Kategorie ‚uneheliche Geburt‘ abschaffte (der Westen verbesserte erst 1970 die Stellung des nichtehelichen Kindes), den Namen des Mannes oder der Frau als Familienname zuließ (im Westen erst 1977) sowie die freie Entscheidung eines Ehegatten, den Beitrag zur Familie durch Arbeit im Haushalt und der Betreuung der Kinder zu leisten.

Das bisschen Haushalt, das kriegst du doch ‚mit links‘ gebacken

Gründe für die staatlich geförderte Frauenarbeit in der DDR waren allerdings der Wiederaufbau und die Stärkung der Wirtschaft, da Männer erst kriegsbedingt, später wegen Dienst in der Grenzsicherung fehlten. Trotz formaler Gleichstellung hatten die Männer das Sagen. Führungspositionen wurden in der Regel von Männern besetzt, im Politbüro der SED gab es keine einzige Frau. Die Staatsführung verlieh jährlich die Clara-Zetkin-Medaille zur Würdigung von Initiative und Fleiß der Frauen, allerdings hatten die offiziellen Feierlichkeiten zum 8. März sozialistisch-ideologischen Charakter. Und so waren auch DDR-Frauen trotz verbriefter Gleichberechtigung oft allein mit Berufstätigkeit und Familie. Im Verborgenen begehrten etliche jedoch auf und zeigten Solidarität zu Frauen auf der ganzen Welt.

Der Westen: Das ist doch so ein Ost-Feiertag 

Im Westen ging trotz sozialdemokratisch veranstalteter Frauentage die ursprüngliche Bedeutung des Weltfrauentages fast verloren. In den Vordergrund rückten die Themen Frieden und Kampf gegen die Wiederbewaffnung, getragen von Mitgliedern der SPD, der KPD und von Teilen der bürgerlichen Parteien und parteilosen ChristInnen und PazifistInnen.

‚Das Private ist politisch‘

Mit dieser Forderung rückte in der Bundesrepublik Deutschland die ‚Zweite Frauenbewegung‘ neue Themen wie Gewalt in der Ehe, Rechte von Ausländerinnen, Diskriminierung nicht-heterosexueller Lebensweisen ins Bewusstsein. Zögerlich wurden Frauenrechte gestärkt, 1972 durch die Öffnung der Rentenversicherung für Hausfrauen, 1977 durch die Reform des Ehe- und Familienrechts mit freier Wahl des gemeinsamen Familiennamens, der Aufgabe des Schuldprinzips bei der Scheidung, der Einführung des Versorgungsausgleichs. 1980 wurde gesetzlich die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz eingeführt. 1987 entstand die Abteilung für Frauenpolitik im Bundesministerium, die ersten Frauenbeauftragten wurden bestellt. Der FrauenStreikTag wurde verkündet und es gab zum 8. März Veranstaltungen zum Thema Frauenförderung.

‚Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin‘ (Art. 3, Abs. 2 S. 2 Grundgesetz)

Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 GG) wurde 1994 um Satz 2 - Gleichberechtigungsgrundsatz - ergänzt. Zum Diskriminierungsverbot ergingen - auch durch den Einsatz der ‚Dritten Frauenbewegung‘ – vor allem Anfang der 2000er  Jahre Gesetze zur Gleichbehandlung, etwa zum Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts im Arbeitsleben, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, jüngst befeuert durch die ‚Me-too-Debatte‘.

Frauen in der Wirtschaft

In Sachen Gleichberechtigung hat sich in Deutschland in den letzten 100 Jahren vieles getan. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass das Weltwirtschaftsforum von Davos in seiner jüngsten Studie aus dem Jahr 2020 feststellt, es gebe immer noch zu wenige Frauen in Politik und Wirtschaft. Deutschland steht im globalen Ranking auf Platz 10.

http://www3.weforum.org/docs/WEF_Global_Gender_Gap_Report_2020_Press_Rel...

Wie steht es mit der von Frauen verfassten Kriminalliteratur?

Hier verweise ich auf die verbandsübergreifende Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Rostock aus dem Jahr 2018  #Frauenzählen - Zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb.

Zitat: „Auf jedes besprochene Werk einer Autorin kommen zwei Werke eines Autors. Männer sind damit doppelt so häufig vertreten. Diese Verteilung ergibt sich in allen Mediengattungen (TV, Radio, Print). In Wochenzeitschriften werden Autoren noch etwas stärker präsentiert (70 %); allein bei Frauenzeitschriften kehren sich die Verhältnisse um: 64 % der rezensierten Werke sind von Autorinnen verfasst.  …

Nach literarischen Genres aufgeschlüsselt, zeigen sich interessante Abweichungen von diesem Verhältnis. Während Autorinnen bei Kinder- und Jugendliteratur paritätisch vertreten sind, zeigen die Genres Sachbuch und vor allem Kriminalliteratur eine deutliche Verschiebung hin zur häufigeren Repräsentanz von durch Männer verfassten Werken.“

http://www.frauenzählen.de/media/Pilotstudie_Sichtbarkeit_von_Frauen_in_Medien.pdf

Abschließend ein Hinweis ohne weiteren Kommentar auf die äußerst kontrovers beantwortete Umfrage von Tobias Gohlis aus dem Jahr 2002 - „Wozu ein Frauenkrimi-Preis?“.  

https://www.togohlis.de/03frauenkrimiumfrage.htm

© Susanne Rüster

Verlag

Mörderische Schwestern - Krimiticker Februar 2021

Autorin

Susanne Rüster
Vita: 

Susanne Rüster

Susanne Rüster studierte Jura und war beim Kriminalgericht Berlin-Moabit als Staatsanwältin (Wirtschaftskriminalität) und anschließend als Richterin in Berlin und Potsdam tätig.

Weil sie literarische Fremdgänge liebt, entstanden u. a. etliche veröffentlichte Kriminalgeschichten und Romane. Dem Polizei-Krimi hat sie sich verschrieben, weil sie von Berufs wegen weiß, wie Täter vorgehen und Ermittler analysieren. In ihren Romanen widmet sie sich gern sozialpolitischen Themen.

Die Berlin-Krimis

„Der letzte Tanz – Kreuzberg explosiv” (2012, Literaturverlag edition karo, Verlag Josefine Rosalski, Berlin),  „Zu hoch hinaus” (2015, Sutton Verlag)